Unbegründeter Pflichtteilsentzug: Fehlt es an Ausschlussdetails, behält der Pflichtteilsberechtigte sein Recht auf Grundbucheinsicht
Die Einsichtnahme in das Grundbuch kann einem Erbberechtigten wichtige Informationen zum Umfang seiner Ansprüche liefern. Für dieses Recht bedarf es im Regelfall eines berechtigten Interesses. Ob dieses für einen Pflichtteilsberechtigten auch dann gegeben ist, wenn diesem aufgrund einer unklaren Formulierung in einem Testament möglicherweise sein Pflichtteil entzogen wurde, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) klären.
Die Erblasserin hatte in ihrem notariellen Testament verfügt, dass ihr Sohn von der Erbfolge ausgeschlossen und ihm darüber hinaus sein Pflichtteil entzogen werden soll, da er die Erblasserin mehrfach tätlich angegriffen habe und er gegen ihren Willen einen "ehrlosen und unsittlichen Lebenswandel" führe. Entgegen der ausdrücklichen Hinweise des Notars hat die Erblasserin keine weiteren Angaben zu den tatsächlichen Hintergründen gemacht. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Sohn Einsicht in das Grundbuch mit der Begründung, dass er wegen seiner Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche ein wirtschaftliches Interesse daran habe, in Erfahrung zu bringen, ob die Erblasserin Eigentümerin von Grundstücken im Bezirk des Amtsgerichts (AG) gewesen sei. Das AG hat diesen Antrag zurückgewiesen, da nach dessen Ansicht der Sohn sowohl von der Erbfolge als auch von Pflichtteilsansprüchen ausgeschlossen sei.
Dieser Ansicht hat sich das OLG jedoch nicht angeschlossen und dem Antragsteller das Recht auf Einsichtnahme gewährt. Unzweifelhaft hat ein Pflichtteilsberechtigter anerkennungswürdige wirtschaftliche Interessen, die eine Einsichtnahme in das Grundbuch grundsätzlich rechtfertigen. Die Besonderheit dieses Falls lag zweifellos darin, dass die Erblasserin den Sohn von Pflichtteilsansprüchen ausschließen wollte. Doch hierfür ist es erforderlich, dass neben der Entziehungserklärung auch ein zutreffender Kernsachverhalt geschildert wird, was die Erblasserin trotz Hinweises des Notars ausdrücklich nicht getan hatte. Insofern hatte das OLG erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit einer solchen Pflichtteilsentziehung.
Hinweis: Aus Sicht der Erblasserin wäre es notwendig gewesen, möglichst konkrete Zeitangaben darüber zu machen, wann die Übergriffe durch den Sohn stattgefunden haben, ebenso nähere Angaben darüber, wie oft und in welchem konkreten Ausmaß diese "tätlichen Angriffe" erfolgten.
Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.08.2020 - 3 W 121/19
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 02/2021)