Erbensuche im Erbscheinsverfahren: Bleiben umfangreiche Nachforschungen erfolglos, darf ein Aufgebotsverfahren nicht abgelehnt werden

Das Nachlassgericht kann eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten erlassen. Von dieser Möglichkeit wird zum Beispiel dann Gebrauch gemacht, wenn der Aufenthaltsort von Erbberechtigten nicht ermittelt werden kann. Mit den Voraussetzungen, die hierfür jedoch erfüllt sein müssen, hat sich kürzlich das Kammergericht Berlin (KG) beschäftigt.

Im konkreten Fall verstarb die Erblasserin, ohne dass etwas über das Schicksal oder den Aufenthalt ihres Sohns bekannt war. Ein Kontakt zur Familie bestand seit 1952 nicht mehr. Die weiteren Abkömmlinge, die einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt haben, beantragten im Wege eines öffentlichen Aufgebotsverfahrens, den Ausschluss dieses grundsätzlich vorrangig berechtigten Erben feststellen zu lassen. Alle Ermittlungsmaßnahmen zum Aufenthalt des Sohns blieben erfolglos - und diese waren durchaus umfangreich. Ausweislich der Geburtsurkunde des Sohns der Erblasserin waren lediglich dessen Name und Geburtsdatum bekannt. Das Melderegister beim Landeseinwohneramt enthielt keinerlei Angaben zum Gesuchten, auch Anfragen beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und bei den gesetzlichen Rentenversicherungen blieben erfolglos. Die Vermutung, der Sohn habe sich in den 1950er Jahren der Fremdenlegion angeschlossen, wurden durch das französische Verteidigungsministerium nicht bestätigt. Ein Antrag auf Todeserklärung wurde durch das zuständige Amtsgericht jedoch abgewiesen, da auch nach 65 Jahren nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Sohn verstorben sei. Dennoch wies das Nachlassgericht den Antrag auf öffentliche Aufforderung ab.

Dieser Entscheidung konnte sich das KG allerdings nicht anschließen. Aufgrund der bereits umfangreich durchgeführten Ermittlungen durfte das Nachlassgericht die Durchführung des Aufgebotsverfahrens nicht ablehnen ohne aufzuzeigen, welche weiteren erfolgversprechenden Ermittlungsmöglichkeiten die Beteiligten unter Ausschöpfung welcher Erkenntnisquellen noch angehen sollten, um den Wegfall des vorrangig erbberechtigten Sohnes der Erblasserin (bzw. seiner Abkömmlinge) nachzuweisen. Zweifel am Tod des Erbberechtigten reichen dann alleine nicht mehr aus, das Aufgebotsverfahren abzulehnen, da anderenfalls praktisch keine andere Möglichkeit besteht, einen Erbschein zu erteilen.

Hinweis: Im Aufgebotsverfahren bestimmt das Gericht die Art der Bekanntmachung, zum Beispiel durch Aushang bei Gericht, sowie eine Frist, innerhalb der sich ein Berechtigter zur Anmeldung von Ansprüchen bei Gericht melden kann. Sofern innerhalb der Frist kein weiterer Berechtigter Erbansprüche anmeldet, wird kraft Gesetzes zunächst unterstellt, dass kein weiterer Erbberechtigter vorhanden ist.


Quelle: KG, Beschl. v. 03.01.2020 - 6 W 56/19
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 04/2020)

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